Der Personalmangel stellt viele Kitas in Osnabrück vor große Herausforderungen. Doch ein neues Rekrutierungsprojekt zeigt, wie Fachkräfte im Ausland gewonnen und integriert werden können.

In der Bibergruppe der integrativen Kita „Altes Wasserwerk“ der HHO herrscht – wie an jedem Morgen – reges Treiben. Bis zum Mittagessen, das heute aus Gemüse-Nudel-Suppe aus der „Sternenküche“ besteht, ist noch Zeit. Einige der insgesamt 18 Kinder ziehen gerade ihre Jacken an und bereiten sich auf den Spaziergang zum Wochenmarkt vor, andere beenden gerade ihr Frühstück. Es wird gespielt, getobt und viel gelacht. Mittendrin in der Bibergruppe: Purification Payo Moreno – oder einfach „Puri“.
Es ist Anfang Dezember. Oberbürgermeisterin Katharina Pötter ist heute mit der WFO zu Besuch im Schinkel, um sich mit Puri über ihre Erfahrungen und ersten Monate in Osnabrück auszutauschen. Puri ist eine von sechs spanischen Fachkräften, die im Rahmen eines Rekrutierungsprojekts der Agentur für Arbeit seit August in verschiedenen Osnabrücker Kitas tätig sind. Sie hat einen Bachelor in Pädagogik und ist bis zur beruflichen Anerkennung als Sozialassistentin beschäftigt. Innerhalb eines Jahres qualifiziert sie sich auf Kosten der Agentur für Arbeit in der BBS Melle zur anerkannten Erzieherin.
Das Pilotprojekt zielt darauf ab, dem Erziehermangel in der Region Osnabrück und mittelfristig in ganz Niedersachsen entgegenzuwirken. Puri und die HHO sind hierfür ein hervorragendes Beispiel. Puri ist erst seit knapp fünf Monaten in Deutschland, doch: „Sie hat sich so herzlich eingefügt, dass es sich anfühlt, als wäre sie schon immer da gewesen. Sie ist für uns ein echter Gewinn“, meint Markus Weckermann, Leiter der Kita.
Katharina Pötter weiß, wie wichtig eine verlässliche Kinderbetreuung ist. Aktuell stehen in der Stadt 8.230 Plätze in Krippen, Kindergärten, Horten und Tagespflegestellen zur Verfügung. Obwohl das Angebot an Kita-Plätzen zuletzt gestiegen ist, mussten wegen des Personalmangels Betreuungszeiten verkürzt werden, um in den verkürzten Zeiten eine zuverlässige Betreuung zu gewährleisten.
„Wir sollten dankbar für alle Menschen sein, die den mutigen Schritt wagen und als gut ausgebildete Fachkraft zu uns kommen. Ohne sie könnten wir den Bedarf in verschiedenen Berufen nicht abdecken. Umso wichtiger ist es, allen die neu zu uns kommen, einen herzlichen Empfang zu bereiten und sie nach besten Kräften bei ihrem Neustart zu unterstützen“, so Pötter. Sie erlebe täglich großes gesellschaftliches Engagement wie z.B. Sprach-Cafés – doch sei eine gelebte Willkommenskultur noch lange keine Selbstverständlichkeit. Gerade habe der Rat der Stadt Osnabrück entschieden, die Migrationsberatung fortzuführen und aufzustocken.
„Der Anfang war schwierig und auch etwas stressig“, berichtet Puri über ihre ersten Wochen. Da war die Unterstützung, die sie erfahren hat, enorm wertvoll. Dies betraf sowohl die Begleitung durch die Lehrerinnen der BBS Melle als auch die Hilfestellung durch Marie-Theres Volk vom Welcome & Connect Center der WFO. Als Integrationsmanagerin stand sie ihr bei der Wohnungssuche, bei Behördengängen und bei Fragen des alltäglichen Lebens zur Seite. Besonders wertvolle Unterstützung erfahre sie in der Kita – von Markus Weckermann, ihren Kolleginnen und besonders von den Kindern.
„Wir lernen gemeinsam“, sagt Puri. Die Kita im Schinkel besuchen derzeit Kinder aus 16 verschiedenen Nationen. Viele der Kinder sind erst im Sommer dieses Jahres hinzugekommen. „Manche Kinder sprechen selbst noch kein Deutsch, sondern Türkisch, Ukrainisch oder Arabisch. Für sie stellt die Kita den ersten Kontakt mit der deutschen Sprache dar“, so Weckermann. So wie Puri lernen sie sich trotz eventueller Sprachbarrieren zu verständigen. „Den Kindern ist wichtig, dass man für sie da ist, sich Zeit nimmt und Fragen beantwortet“, so Weckermann.
Wie Puri Deutschland empfindet? Vor allem sehr, sehr kalt! Diese Nacht hat es gefroren – in ihrer Heimat Sevilla hingegen sind es milde 12 Grad. „Am schwersten fiel es mir, meine Familie zu verlassen. Doch in Spanien als Erzieherin jemals einen verlässlichen Job zu finden, sieht einfach zu schlecht aus.“ Halt gibt ihr Lebensgefährte Jesús, der mit ihr nach Deutschland gekommen ist. Die beiden haben neue Freunde gefunden, die ebenfalls aus Spanien stammen. In ihrer Freizeit nehmen sie gerne an Veranstaltungen des Welcome & Connect Centers teil, wie der Kennenlern-Tour durch die Altstadt oder dem gemeinsamen Zoobesuch mit anderen, die wegen des Jobs neu in der Stadt sind.
Die Entscheidung für die Migration bereut sie nicht. Sie würde sich jederzeit wieder so entscheiden. Ihre Familie unterstützt sie bei diesem mutigen Schritt und hat sie bereits zweimal in Osnabrück zu Besuch. Weihnachten haben Puri und Jesús in Sevilla verbracht. Nun Puri freut sich darauf, ab Sommer als anerkannte Erzieherin bei der HHO beschäftigt zu sein.